Referendare: Die Angst geht immer mit.
"Die Angst geht immer mit"
Für angehende Lehrerinnen und Lehrer ist es nicht einfach vor der Klasse zu bestehen. Hinzu kommen oft vielfältige Schwierigkeiten mit Fachleiterinnen und Fachleitern. Hier kommen ehemalige Referendare zu Wort über Willkür und
Druck in der Lehrerausbildung.
(auszugsweise Zitate):
"Es ist kein Geheimnis, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer das Referendariat nicht als (...) angenehmen Abschnitt ihrer Ausbildung empfinden. In letzter Zeit scheint sich die Situation zuzuspitzen. Vor dem Hintergrund fehlender Lehrkräfte fällt ein ganz neues Licht auf (...) Schwierigkeiten.
(...) Angehende Lehrerinnen und Lehrer vermissen Förderung und Unterstützung während ihrer praktischen Ausbildung. Stattdessen rasseln etliche durch die Abschlussprüfungen. In Verden beispielsweise waren es nach Angaben von Referendaren jüngst bis zu zwei Drittel. Für eine
ehemalige Referendarin ist es unfassbar:
"dass
Diplombiologen den Chemieunterricht an öffentlichen Schulen durchführen und
diejenigen, die dafür ausgebildet
sind, denen wird im Referendariat so die Hölle heiß gemacht, sie werden so
unter Druck gesetzt, dass sie dann auf einmal nicht mehr für die öffentliche
Schule geeignet sind. Und wie kann das sein?"
Wenn
Lehramtsstudenten nach ihrem Uniabschluss dann im Referendariat scheitern,
mutet das in Zeiten knappen
Lehrernachwuchses an wie leichtfertige Ressourcen-Verschwendung. Oder ist
es nur die logische Konsequenz einer fachlichen Ausbildung mit fairer
Beurteilung? Offensichtlich gibt es beim Bewertungsprozess erhebliche Unklarheiten: "Von meinem Fachleiter in Chemie wurde ich
in den zwei Jahren 27 (...) Mal besucht. Und meine Fachleiterin in Spanisch
hat mich, wenn es hoch kommt, drei mal besucht. Da frage ich mich, wo
sind da die gemeinsamen Kriterien, um einen Unterricht zu bewerten?"
Nicht nur
unterschiedliche Bewertungsgrundlagen, sondern auch unterschiedliche Ergebnisse
führen zu Entsetzen über die Lehrerausbildung (...).
Nicht etwa, weil der Nachwuchs von der Uni dort unbrauchbar sei - problematisch sei vielmehr das Personal der
Studienseminare, meint Dr. Clemens August Borgerding. Er war langjähriger
Direktor des Verdener Domgymnasiums und vermisst gerechte Beurteilungen durch
die amtlichen Referendarsausbilder: "Ich
habe den Seminarleiter gebeten, mir ab sofort für die Unterrichtsfächer Deutsch
und Geschichte keine Referendare mehr zuzuweisen, weil, es gab die Diskrepanz
zwischen sich außerordentlich viel Mühe gebenden, mitwirkenden Lehrkräften an
der von mir geleiteten Schule und der Art und Weise wie zwei Fachleiter zu
beurteilen pflegten."
(...) Auf Anfrage einiger Politiker hin wiegelt die Landesregierung ab: Es liege kein
belastbares Datenmaterial vor und die eingegangenen Beschwerden seien nicht
nachweisbar. Auf die grundsätzliche Frage nach Qualitätskontrolle und Auswertung
der niedersächsischen Studienseminare heißt es nur, dass dies nicht
institutionell verankert sei. (...)
Dem
Referendar A. Gürlevik ist am Studienseminar Verden gleich offen gesagt worden,
dass es Bremer Uni-Absolventen schwer haben werden. (...) "Einer meiner Fachleiter hat mir auch
gesagt: 'Herr Gürlevik, wenn ich Ihnen wohlgesonnen wäre, dann wäre das ein
ganz ordentlicher Unterricht gewesen. Aber, da ich Ihnen nicht wohlgesonnen
bin, ist es halt nicht gut genug.' So einfach war das dann."
Für
Referendarin S. Cafrey ist die Lage ernst. Zwar habe sie im Referendariat viel
Gutes gelernt, aber: "(...) ich habe Freunde in anderen
Studienseminaren und die erzählen mir genau die selben Dinge. Also die weinen
nach Unterrichtsbesuchen, die weinen vor Unterrichtsbesuchen, die können Nächte
lang vorher nicht schlafen. (...) Egal, was passiert, die Angst geht immer mit. Das ist für mich
keine Ausbildung. Eine Ausbildung muss angstfrei ablaufen, und das tut es
einfach nicht (...) bei sehr vielen."
Von M. Neuman © 2012
Deutschlandradio