Gerade Lehrer brauchen einen Coach...
Gerade Lehrer brauchen einen Coach...
Supervision und Coaching könnten Lehrerinnen und Lehrer, Kollegien und Schulen entlasten. Doch wenige machen davon Gebrauch. Das liegt einerseits an Informations- oder Finanzbedarf, andererseits an Ressentiments und dem Wunsch das Bild zu vermitteln, keine fremde Hilfe zu brauchen...
(auszugsweises Zitat):
"In den ersten Jahren als Lehrerin sah Corinna M. kein Licht am Ende des Tunnels. „Das war teilweise ein Horrortrip“ (...). Das Studium hatte die Naturwissenschaftlerin auf einiges vorbereitet, aber nicht auf Situationen wie diese: Mitten im Unterricht standen alle Schüler auf und ließen die Berufsanfängerin allein in der Klasse zurück. „Ein Albtraum.“
Heute kann die Studienrätin über das pubertäre Verhalten der Jugendlichen von damals lachen. „Auch ich habe falsch reagiert, bin nicht genug auf die Schüler eingegangen“, reflektiert sie ihr Verhalten. Gelernt hat sie das nicht in der Schule, sondern eher bei einem Psychiater, bei dem sie und andere Kolleginnen sich regelmäßig zur Supervision anmeldeten. Dass sie heute souverän ihren Job meistere, habe sie auch diesem „Blick von außen“ zu verdanken, sagt sie: „Supervision müsste für alle Pflicht sein im Lehrerberuf.“
Doch
während Reflexion über die eigene Arbeit bei Psychologen und Ärzten üblich oder verpflichtend ist, gibt es bei Lehrern bisher nichts
Vergleichbares. (...) An Schulen dominiert immer noch das Bild des souveränen Wissensvermittlers, der
keine fremde Hilfe braucht.
„Die Vorbehalte sind
groß“, sagt Josef G., Supervisor in Frankfurt am Main. Viele Lehrer hätten den
Anspruch, „immer komplexere Aufgaben ganz allein zu lösen“. (…) Lehrer leiden
laut Studien häufiger (...) unter Beschwerden, die auch bei
Depressionen oder Burn-out auftreten. Coaching und
Supervision könnten ein probates Mittel sein, um ihre Gesundheit zu schützen.
Belege dafür lieferte 2010 eine Freiburger Arbeitsgruppe um den
Psychotherapeuten Prof. Joachim Bauer. Er konnte nachweisen, dass Lehrer, die
an einem (...) Coaching
teilnahmen, ihre Gesundheit objektiv verbessern konnten. Ziel des Freiburger
Coachings war es, Lehrern den besseren Umgang mit schwierigen schulischen
Situationen beizubringen.
Bauer und
seine Kollegen sind davon überzeugt, dass Lehrer nicht nur ihre Fächer
beherrschen müssen, sondern „auch die Kunst der Beziehungsgestaltung“. Und das
gelingt nicht immer ohne Hilfe. Zwar gibt es Ansätze, Coaching und Supervision in den pädagogischen Alltag oder die
Lehrerausbildung zu integrieren.
Doch von einem flächendeckenden Angebot kann
keine Rede sein. (…) „Wir sind bundesweit unterversorgt“, sagt der Vorsitzende
der Sektion Schulpsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologen,
Stefan Drewes.
Für viele junge Lehrer sei es inzwischen selbstverständlich, ihre Arbeit zu
reflektieren, sagt Drewes. Wer einmal professionelle Unterstützung für den
Lehreralltag erfahren hat, will meist nicht mehr darauf verzichten. „Man wird
als Junglehrer total verheizt“, sagt Tanja W.. Die 34-jährige
Berufsschullehrerin sollte bei ihrem Einstieg an sechs verschiedenen Schulen
eingesetzt werden. „Ich musste erst lernen, auch gegenüber Vorgesetzen mal Nein
zu sagen.“ Heute trifft sie sich regelmäßig zum Austausch – außerhalb der
Schule. (...)
Stark
gefährdet
Die Potsdamer Lehrerstudie des Bildungsforschers Uwe Schaarschmidt belegte
2006 als eine der ersten großen Untersuchungen über Belastungen von Pädagogen,
dass 60 Prozent der Lehrer gefährdet sind, im Beruf krank zu werden. Als
Ursachen nannten Lehrer vor allem schwierige Schüler und große Klassen."
Quelle: Berliner Zeitung 2012